Freitag, 18. Februar 2011

Suffolks Häuser (Tudor)

Wir wollen umziehen. Das heißt, mein Mann will unbedingt, mein Sohn auf keinen Fall, und ich...mal so, mal so. Jedenfalls war gestern schon mal der Makler da, um sein Urteil über Marktwert und Verkaufschancen abzugeben. Super Haus, beste Lage, verkauft sich praktisch über Nacht, wie Makler nun mal so reden. Obwohl selbst er einräumen musste, dass der Immobilienmarkt in England zur Zeit etwas 'schwierig' ist. Wie sich der Markt in nächster Zeit entwickelt, das kann eben keiner vorhersagen.
Der Durchschnittswert für eine Immobilie liegt, trotz Markteinbruch vor zwei Jahren, immerhin noch bei 180.000 Pfund. Obwohl man dafür in Suffolk nicht viel bekommt. Statisken und Realität, da hapert es oft mit der Übereinstimmung. Für genannten Durschnittswert bekommt man vielleicht gerade mal einen seelenlosen Neubau mit fehlender Isolierung oder ein winziges Cottage mit einem Zimmer.  Mit Quadratmeterzahlen kann in England keiner was anfangen. Hier geht es um die Anzahl der Zimmer, genauer, der Schlafzimmer.  

Wir leben - noch - in einem typischen Suffolk Longhouse aus Zeiten der Tudors (15. Jahrhundert). Longhouse deshalb, weil es langgestreckt ist. Die Zimmer sind praktisch aneinandergereiht. Das hat den Vorteil, dass man auf beiden Seiten Fenster und damit viel Licht hat und den Nachteil, dass sich Jonathan, mein rastloser Mann, vorkommt, als lebe er auf einem Schiff, obwohl ihm das eigentlich gefallen müßte.

Tudorhäuser haben zwei Hauptmerkmale: Riesige Kamine und Holzbalken. Nichts mit dicken Mauern aus Beton oder Backsteinen,  das Gerüst eines echten Tudorhauses besteht aus Eichenholz. Zum Verputzen verwendete man nicht irgendeinen Putz, sondern den sogenannten Limerender. Hauptbestandteil des Limerenders ist Kalk. Zwecks Konsistenzverstärkung wurden und werden heute immer noch Schweineborsten oder Pferdehaare beigemischt. Anfangs habe ich Stunden damit verbracht, die merkwürdigen Borsten von den Wänden zu ziehen, die mir hier und da ins Auge stachen.  Ich dachte, da hat unser Vorgänger dermaßen miserable Pinsel verwendet, dass alle Borsten an den Wänden hängengeblieben sind.
Sinn und Zweck des Limerenders besteht darin, dass das Haus atmen kann. Die Feuchtigkeit wird absorbiert und kann wieder verdunsten. Ansonsten würde das Gebälk irgendwann verrotten.

Man kann sich vorstellen, dass so ein Tudorhaus ziemlich zugig ist. Holz zieht sich zusammen und schrumpft. Dadurch entstehen Zwischenräume, durch die der Wind fegt. Gott sei Dank haben wir einen Kamin.

Unser Haus steht unter Denkmalschutz, (listed buildings) wie die meisten Tudorhäuser. Das hat den Nachteil, dass man nichts ohne behördliche Genehmigung ändern darf. Sei es die Farbe des Hauses oder der Fenster, ganz zu schweigen von irgendwelchen Umbauten, wegen jedem Pipapo muss man zum Council rennen - und die freuen sich, wenn sie wieder was ablehnen können.

Es gibt allerdings viele Engländer, die finden es toll, in einem Listed Building zu wohnen. Tradition und Geschichte werden hier in fettgedruckten Großbuchstaben geschrieben.
Ich werde jetzt den Makler anrufen und grünes Licht für den Verkauf unseres Hauses geben. Mal sehen...

Freitag, 11. Februar 2011

Suffolk - die verschlafene Grafschafts Englands

Es ist fast jedes Mal das Gleiche: Lerne ich auf meinen Deutschlandbesuchen neue Leute kennen und erzähle denen, dass ich in England wohne, sind die meisten ganz begeistert. Wow, London! Trafalgar Square und Picadilly Circus, die Queen in ihrem Buckingham Palace und im roten Double-Decker-Bus zu Harrods zum Shopping fahren. Super. Stell' ich dann richtig, dass ich zwar in England lebe, aber eben nicht in London, sondern in Suffolk, einer kleinen Grafschaft in Ostengland, ertönt meist ein genauso langezognenes wie enttäuschtes Achsooo.

Trubel, Multi-Kulti, Großstadtflair, wer das sucht, der ist hier am falschen Platz. Es hat schon seinen Grund, warum die Engländer die kleine Grafschaft 'Sleepy Suffolk' nennen. Hier blöken Schafe, hier gackern Hühner, hier strapazieren Trecker und Reiter die Geduld der Autofahrer. Du bist halt auf dem Land. Suffolk und Gummistiefel, das gehört zusammen wie Stilettos und Laufsteg. Von den 947.681 Morgen Land, aus denen Suffolk besteht, sind immerhin ganze 820.000 Acker- oder Weideland.

So öde, wie sich das für einige vielleicht anhört, ist es hier wirklich nicht. Du kannst hier meilenweit Fahrrad fahren, ohne gegen irgendwelche Hügel ankämpfen zu müssen. Es gibt hier unzählige 'public footpaths', auf denen du von einem Dorf zum nächsten spazieren kannst, ohne auch nur einem Auto zu begegnen. Wer gern Vögel beobachtet, der kommt in den diversen Naturschutzparks voll auf seine Kosten. Und das Beste, zum Meer ist es nicht weit. Ist es ja auf einer Insel logischerweise nie, aber Suffolks östliche Grenze ist die Nordsee!! Nun sind es zwar keine weißen Sandstrände, die einen hier erwarten, und auch kann man nicht gerade von blauen Fluten sprechen, braun-grau-grün trifft es eher. Aber egal, man kann am Kieselstrand liegen, eine leicht gepolsterte Unterlage empfiehlt sich da schon, und man kann chlorfrei baden.


Allen Stadtfreunden sei gesagt, Suffolks westliche Grenze ist Cambridge, meiner Meinung nach eine der schönsten Städte ganz Englands. Da gibt's nun wirklich viel zu machen. Aber darüber bald mehr.

Freitag, 4. Februar 2011

Hallo

Ich war vor ein paar Wochen auf der Deutschen Botschaft in London, und da hat mir ein gar nicht so zugeknöpfter Beamter erzählt, dass immer mehr Deutsche auf die Insel umsiedeln. Der nette Mann erklärte, dass die meisten aus beruflichen oder privaten Gründen nach England kommen.  Andere Gründe fallen mir da eigentlich auch nicht ein.

Egal, ich habe mich jedenfalls darüber gefreut, dass jetzt bereits über 300.000 Deutsche hier leben. Warum, weiß ich selber nicht so genau. Ich lebe schon seit 25 Jahren im Ausland, die letzten fünfzehn davon in England. Heimweh oder Sehnsucht nach meinen Landsleuten habe ich noch nie verspürt. Was ja nichts heißen soll! Trotzdem, ich finde es immer toll, andere Deutsche zu treffen. Ein kleiner Plausch in der Muttersprache, das hat einfach was...

Die Deutschen gelten ja allgemein als anglophil, und da dachte ich, schreib ich mal ein Blog über England, wie es sich hier so lebt und über alles, was sonst so für Englandfans von Interesse sein könnte. Über Feedback oder sonstige Fragen würde ich mich  sehr freuen.

Bis bald